Versauerte Waldbäche

30 Jahre Monitoring versauerter Waldbäche in Rheinland-Pfalz – eine Trendanalyse

Ist Gewässerversauerung nicht ähnlich wie „Saurer Regen“ ein längst erledigtes Thema? Könnte man meinen – das Problem ist zwar kleiner geworden, aber noch aktuell. Ein Beispiel hierzu: Die derzeit viel diskutierten Stickoxide (NOx) sind nicht nur für die Stadtluft ein Problem, sondern auch für versauerungsempfindliche Landschaften und deren Gewässer. Dies gilt beispielsweise für die Quarzit-Höhenlagen des Hunsrücks oder die Montabaurer Höhe im Westerwald. Dort sind die Böden besonders kalkarm und besitzen nur sehr geringes Pufferungsvermögen gegen Säureeinträge. Trotz des Rückgangs von versauernd wirkenden Luftschadstoffen aus Verbrennungsprozessen durch Energieerzeugung, Industrie und Verkehr sowie – in bislang sehr viel geringerem Umfang – bei Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft, gibt es auch in Rheinland-Pfalz durch Säureeinträge aus der Luft beeinträchtigte Bäche.

Die Folge: Keine Fische und Artenarmut unter Wirbellosen

Die Hauptsymptome versauerter Gewässer sind dauerhaft oder phasenweise niedrige pH-Werte um pH 4,5-5,5. Dazu kommen toxische Metallkonzentrationen im Sickerwasser der Einzugsgebiete und im Bachwasser. Die Folge ist eine gewässerökologische Verödung, die mit einem weitgehenden Fehlen von Fischen und einer auffälligen Artenarmut der aquatischen Wirbellosen-Lebensgemeinschaft einhergeht.

Wirbellose sind daher sehr zuverlässige Indikatoren von Gewässerversauerung. Es gibt auf der einen Seite Arten und Tiergruppen, wie u.a. Schnecken, Eintagsfliegen und Bachflohkrebse, die sehr empfindlich auf Säurestress reagieren. Auf der anderen Seite gibt es auch Artengruppen der Steinfliegen, Zweiflügler-Larven und viele Wasserkäfer, die ausgesprochen säureresistent sind. Diese unterschiedliche Säuretoleranz unter den Wirbellosen-Gruppen macht man sich bei der gewässerökologischen Zustandsbewertung zu Nutze. Schon mit einer einmaligen Standarderhebung des Makrozoobenthos lässt sich sehr zuverlässig der Säurezustand eines Baches feststellen.

Langjährige Untersuchung von Waldbächen im Soonwald und Hunsrück

Das Landesamt für Umwelt (LfU) untersucht die Entwicklung der Gewässerversauerung von sieben kleinen Waldbächen im Soonwald und im Nationalpark Hunsrück-Hochwald seit Mitte der 1980er-Jahre mittels regelmäßiger, monatlicher Beprobungen des chemischen Zustands an insgesamt neun Messstellen. Auch die Entwicklung der Wirbellosen Tiere im Gewässer (Makrozoobenthos) wird in mehrjährigen Abständen untersucht und bewertet. Abgesehen von ihren Versauerungserscheinungen sind die Untersuchungsbäche durch ihre Abgelegenheit im Übrigen völlig unbeeinträchtigt. 

2019 erschien der LfU-Bericht „Gewässerschutz und Luftschadstoffe – 30 Jahre Monitoring versauerter Waldbäche in Rheinland-Pfalz“ zum Trend der Versauerungserscheinungen in den Untersuchungsbächen im Hunsrück. Die Bilanz ist ambivalent. Einerseits kann nach über 30 Jahren Beobachtungszeit im Prinzip eine positive Zwischenbilanz gezogen werden. Typische Versauerungs-Kenngrößen wie Sulfat und Aluminium-Konzentrationen nehmen signifikant ab, die pH-Werte steigen. Stagnierende und uneinheitliche Trends – z.T. auch ansteigend - zu Nitratkonzentrationen in den Hunsrückbächen verweisen hingegen auf die Tatsache, dass die versauernd wirkenden stickstoffhaltigen Luftschadstoffe NOx und Ammonium in den zurückliegenden Jahrzehnten nicht annähernd so stark reduziert werden konnten, wie es insbesondere für das Schwefeldioxid gelang. Allgemein gilt auch im Jahr 2020, dass Versauerungserscheinungen in den betroffenen Bächen in variierender Intensität noch wirksam sind.  

Klimasignale im Langzeitmonitoring

Ein Nebenprodukt der Langzeituntersuchung ist der statistisch signifikante Nachweis allgemein angestiegener Wassertemperaturen in den kleinen Waldbächen. Die Wassertemperaturen sind im Durchschnitt der hier betrachteten Messstellen im Hunsrück um 0,3 °C pro Dekade zwischen 1985-2015 angestiegen. Auch weisen die Bäche durchweg einen klaren Trend zu verstärktem Austrag von organisch gebundenem Kohlenstoff auf (Huminstoffe aus bewaldeten Einzugsgebieten). Dieses auch international bestätigte Phänomen wird als kombinierte Folge verringerter Säurebelastung der Einzugsgebiete und als Auswirkung des Klimawandels diskutiert.

Die Zwischenbilanz zeigt, Versauerung von kleinen Fließgewässern ist auf mindestens 5 % der Landesfläche von Rheinland-Pfalz – den Landschaften mit quarzitisch geprägter Geologie – noch ein Thema. Die Ergebnisse verdeutlichen darüber hinaus, wie wichtig es ist, Langzeitmonitoring über Jahrzehnte konsequent fortzuführen, um „schleichende“ Veränderungen von Umweltvariablen überhaupt zu erkennen und darstellen zu können.  

Seit 2016 besteht durch die Richtlinie über die Reduktion der nationalen Emissionen bestimmter Luftschadstoffe (NEC-Richtlinie 2284, 2016) eine konkrete Monitoringpflicht der Länder, die Auswirkungen von Luftschadstoffen auf Ökosysteme zu überwachen.

In Rheinland-Pfalz kann hierfür auf das bewährte Messnetz zum Langzeitmonitoring der „Sauren-Bäche“ zurückgegriffen werden.

Das Bachufer wurde entfichtet.
Der Traunbach bei Börfink.
Neben dem naturbelassenen Bachbett wachsen junge Bäume
Der Oberlauf des Idarbachs, Umfeld mit Jungwald.
Wirbellose im Ellerbach im April 2018
Positive Entwicklung nach Abklingen der stärksten Versauerungen: Gut zu erkennen sind neben einigen Köcherfliegen- und Steinfliegenlarven auch säureempfindlichere Bachflohkrebse (Pfeile), die erstmals 2015 und 2018 bestätigt in diesem ehemals stark versauerten Bachabschnitt nachzuweisen waren.

Ihre Ansprechpartner

Referat Gewässerökologie, Fischerei

Fulgor Westermann
Telefon: 06131 /6033- 1830
E-Mail: Fulgor.Westermann(at)lfu.rlp.de

Sandy Sobieray
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E-Mail: Sandy.Sobieray(at)lfu.rlp.de